Hier stellen wir Ihnen unsere Recherche-Ergebnisse zum Thema Wiesenbrüterschutz, die wir auch schon bei Wildtierschutz Deutschland veröffentlcht haben und über die wir in den vergangenen Monaten immer wieder berichtet haben, nochmal in voller Länge zur Verfügung und beleuchten das Thema ausführlich von allen Seiten:
Wir haben uns nun deutschlandweit stichprobenartig an Menschen gewandt, die Wiesenbrüterschutzgebiete betreuen, wir sind mit den zuständigen Behörden in Kontakt getreten und haben nachgefragt, welche Ansätze man vor Ort verfolgt und wie die Effektivität der einzelnen Maßnahmen ausgewertet wird. Zusätzlich haben wir die Umweltministerien der verschiedenen Bundesländer nach ihrer Einschätzung gefragt und haben uns mit den Vogelschutzwarten, denen beim Wiesenbrüterschutz eine beratende Funktion zukommt, in Verbindung gesetzt.
Das Ergebnis war ernüchternd. Unsere Anfragen stießen auf sehr viel Misstrauen, man hielt sich bedeckt und oft blieben unsere Fragen auch unbeantwortet. Es gab jedoch auch sehr aufschlussreiche Gespräche mit unterschiedlichen Experten, die uns interessante Einblicke in ein völlig dysfunktionales System ermöglichten. Schnell wurde klar, dass effektiver Wiesenbrüterschutz noch viel zu oft am Widerstand mächtiger Interessenvertretungen scheitert.
Einig waren sich fast alle angefragten Stellen darin, dass der Wiesenbrüterschutz mit dem Wiederherstellen intakter Lebensräume steht und fällt. Je nach Lage der angefragten Schutzgebiete wurden auch Maßnahmen zur Besucherlenkung für nötig gehalten. Die Bejagung der Beutegreifer wurde immer wieder als „politisch motiviert“ und wenig zielführend bezeichnet.
Schnell stellte sich heraus, dass in der Regel keine echte, abgestimmte Zusammenarbeit zwischen der örtlichen Jägerschaft und den anderen am Wiesenbrüterschutz beteiligten Parteien stattfindet. Die Jäger sind auch in Wiesenbrüterschutzgebieten nicht den Naturschutzbehörden unterstellt, sondern arbeiten völlig autonom. Die Zahl der vorgeblich für den Artenschutz getöteten Beutegreifer bleibt das Geheimnis des jeweiligen Revierpächters - keine der angefragten Naturschutzbehörden konnte uns hierzu Zahlen nennen. Die vielgepriesene „enge Zusammenarbeit“ beschränkt sich meist auf ein gemeinsames Pressefoto, wenn wieder einmal medienwirksam mit öffentlichen Geldern finanzierte Betonrohrfallen von der Naturschutzbehörde an die örtliche Jägerschaft übergeben werden.
In vielen Wiesenbrüterschutzgebieten kommt neben der Jagd auf Beutegreifer eine Vielzahl unterschiedlichster Maßnahmen zum Einsatz: Betretungsverbote, Absprachen mit Landwirten, lebensraumverbessernde Maßnahmen, Schutz von Gelegen durch Zäune. Die Maßnahmen unterscheiden sich von Gebiet zu Gebiet sehr stark und sind abhängig vom Bauchgefühl und dem Engagement der Akteure vor Ort. In welchem Umfang welche Maßnahme an einem eventuellen Bruterfolg beteiligt ist, wird kaum ausgewertet. Es gibt in Deutschland keine jagdfreien Gebiete, aus denen man ableiten könnte, wie sich die Bestandszahlen ohne Bejagung entwickeln würden, mögliche Störungen durch die Jagdausübung werden nirgends erfasst. Es fehlen Vergleichsgebiete mit gezielt unterschiedlicher Schwerpunktsetzung und entsprechend wissenschaftlicher Auswertung. Schier unglaublich ist, dass vielerorts noch nicht einmal die Zahl der Brutpaare bzw. der flügge gewordenen Jungvögel systematisch erfasst wird: Personalknappheit, das Abtreten dieser Aufgabe an ehrenamtliche Naturschutzwächter oder schlicht Desinteresse machen ein professionelles Monitoring unmöglich.
Von der Vorstellung, dass sich alle Beteiligten – Naturschutzbehörden, Naturschützer und Jäger – zusammensetzen, ein Konzept ausarbeiten, die Maßnahmen regelmäßig überprüfen und entsprechend anpassen, ist man in der Realität also weit entfernt. Es mag Gebiete geben, in denen die Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Gruppen besser funktioniert, aber in den von uns angefragten Gebieten konnte uns in keinem einzigen Fall ein schlüssiges Gesamtkonzept vorgelegt werden.
Aus den zuständigen Referaten der verschiedenen Umweltministerien kamen – sofern unsere Fragen überhaupt beantwortet wurden – teils sehr reflektierte und kritische Anmerkungen, die Bejagung von Beutegreifern wurde hier zum Teil erstaunlich deutlich abgelehnt. Andere Ministerien gaben offen zu, dass sie sich für die Beantwortung unserer Fragen Unterstützung aus dem Jagdministerium geholt hatten.
Die einzelnen Aspekte unserer Recherche werden wir anhand von Beispielen noch näher beleuchten. Im nächsten Beitrag werden wir am Beispiel Gunzenhausen aufzeigen, wie Lobbyinteressen effektiven Wiesenbrüterschutz verhindern können, wer bei den Entscheidungen mit am Tisch sitzt und wie man sich die vielgepriesene enge Zusammenarbeit mit den Jägern in der Realität vorstellen muss.
Das Beispiel Gunzenhausen
Heute wollen wir am Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen verdeutlichen, wie Lobbyinteressen die Umsetzung selbst jahrelang geplanter Naturschutzprojekte im letzten Moment noch verhindern können.
Ursprünglich war vorgesehen, dass der Landkreis Weißenburg-Gunzenhausen an einem Chance.Natur-Großprojekt zum Schutz von Wiesenbrütern teilnimmt. Das Projekt war eigentlich in trockenen Tüchern, der Kreis hätte sich mit 45.000 Euro beteiligt und dafür eine Fördersumme in Höhe von 4 Millionen Euro abrufen können. Doch plötzlich dämmerte es den betroffenen Landwirten und Jägern, dass es das Geld nicht umsonst geben würde. Der Landrat von Gunzenhausen, der selbst landwirtschaftliche Grundstücke im betreffenden Gebiet besitzt, fing an, massiv Stimmung gegen das Projekt zu machen, Landwirte und Jäger bliesen plötzlich in das gleiche Horn. Obwohl die Teilnahme am geplanten Projekt für die einzelnen Grundstückseigentümer und Jagdpächter freiwillig gewesen wäre, wuchs der Widerstand. Landrat Manuel Westphal äußerte sich kurz vor der Entscheidung gegen das Großprojekt dem BR gegenüber folgendermaßen: "Wie soll man so ein Großprojekt umsetzen, wenn direkt betroffene Landwirte, Fischer und Jäger Einwände haben?"
Letztlich stieg der Landkreis Gunzenhausen aus dem Projekt aus. Mit den frei gewordenen 45.000 Euro will man dennoch Maßnahmen zum Wiesenbrüterschutz vor Ort fördern.
Doch wer entscheidet nun, welche Maßnahmen zum Schutz der Wiesenbrüter umgesetzt werden sollen? Auf Anfrage teilt uns das Landratsamt Gunzenhausen mit, dass die Maßnahmen mit dem LBV, der Jägervereinigung Gunzenhausen, der Jägervereinigung Weißenburg, dem Bauernverband, dem Landschaftspflegeverband und den Kommunen abgesprochen werden. Wenn man sich diese illustre Runde anschaut, verwundert es nicht, dass die umgesetzten Maßnahmen nicht viel mehr sind als ein paar Schönheitskorrekturen hie und da: ein bisschen Wassermanagement, ein bisschen Lebensraumverbesserung, aber kein überzeugendes Gesamtkonzept. In einem Punkt aber sind sich alle einig: zu retten sind die Wiesenbrüter nur durch eine intensive Bejagung von Fuchs und Co. Mit einem Teil der frei gewordenen 45.000 Euro finanziert der Landkreis Gunzenhausen den Jägern mehrere Betonrohrfallen – Jäger, Lokalpolitiker und Vertreter des NABU treten gemeinsam vor die Presse und loben das von den Jägern durchgeführte Prädatorenmanagement in den höchsten Tönen. Der Gebietsbetreuer des LBV äußert sich den Nürnberger Nachrichten gegenüber folgendermaßen: „So können wir mit der Jagd auf der einen Seite und den weiteren Schutzbemühungen seitens des LBV auf der anderen Seite gemeinsam an besseren Voraussetzungen für das Heranwachsen von Jungtieren in unserer Heimat arbeiten.“
Bezugnehmend auf diese Äußerung wandten wir uns an den LBV und fragten nach, wie sich das Töten von Fuchs und Co. auf den Bruterfolg der Bodenbrüter vor Ort auswirkt. Das erste Antwortschreiben war noch sehr neutral, man versuchte, uns mit den üblichen Narrativen ruhigzustellen: „Die Entscheidung zur gezielten Bejagung bestimmter Prädatoren erfolgt nicht willkürlich, sondern auf Basis wissenschaftlicher Studien und Erfahrungen aus vergleichbaren Projekten.“
Wir ließen nicht locker, wollten wissen, welche lebensraumverbessernden Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden, fragten nochmal nach der Zahl der getöteten Beutegreifer und wollten wissen, wie ausgewertet wird, welchen Einfluss diese Maßnahme auf den Bruterfolg der Vögel hat. Darauf reagierte man schon etwas verschnupft und antwortete: „Gleichzeitig ist es selbstverständlich legitim, wenn jemand andere Prioritäten setzt und Generalisten wie den Fuchs über seltene Arten stellt – Naturschutz ist immer auch eine Frage der Werte und gesellschaftlichen Abwägungen.“
Unsere eigentliche Frage wurde wieder nicht beantwortet und so baten wir ein drittes Mal darum, uns die Zahl der getöteten Füchse und die daraus resultierenden Auswirkungen auf den Bruterfolg der Wiesenbrüter zu nennen. Die Antwort hat uns dann doch ziemlich überrascht: „Leider liegen uns in der Gebietsbetreuung keine Informationen zu den Jagdstrecken der Reviere vor. Die Jagd ist auch nicht explizit Teil eines Projekts, da die Entscheidung, wer, wo und wie viel jagt, in der Verantwortung der Jäger selbst liegt. Allerdings wird die Jagd durch die Gelder des Landkreises, insbesondere für den Fallenkauf, unterstützt.“
Da bleibt am Ende nicht viel übrig vom „zielgerichteten, nach wissenschaftlichen Erkenntnissen ausgerichteten Prädatorenmanagement“.
Von der Unteren Naturschutzbehörde Gunzenhausen, der wir die gleichen Fragen gestellt haben, haben wir bis heute keine Antwort erhalten.
Ist Gunzenhausen ein Einzelfall? Leider nicht, wie weitere Beispiele zeigen werden.
Die Zusammenarbeit mit Naturschutzbehörden
Im Rahmen unserer Recherche wandten wir uns deutschlandweit stichprobenartig an Behörden und Gebietsbetreuer von Wiesenbrüterschutzgebieten und wollten wissen, wie sich die Bestände in den vergangenen Jahren entwickelt haben, welche Maßnahmen vor Ort umgesetzt werden und wie sich diese auf den Bruterfolg auswirken. Unser Fokus lag dabei auf der Frage, ob ein aktives Prädatorenmanagement stattfindet und wie sich die Zusammenarbeit mit den Jägern gestaltet.
Das Ergebnis war ernüchternd. Konkrete Zahlen zur Bestandsentwicklung konnte oder wollte man uns in der Regel nicht nennen. Vor Ort wurde meist eine Vielzahl unterschiedlicher Maßnahmen umgesetzt, es fehlte jedoch durchgehend eine Auswertung, welche Maßnahme welchen Anteil am Bruterfolg hat. Und die vielbeschworene „enge und vertrauensvolle“ Zusammenarbeit mit den örtlichen Jägern erwies sich bei genauerem Hinsehen durchweg als Luftnummer.
In Ingolstadt (Bayern) teilte uns die Untere Naturschutzbehörde mit, dass das einzige Wiesenbrüterschutzgebiet von einem ehrenamtlichen Naturschutzwächter betreut wird. Die letzte Zählung fand im Jahr 2019 statt, die Ergebnisse einer aktuell laufenden Zählung werden Mitte 2026 erwartet. Ob ein aktives Prädatorenmanagement stattfindet, wusste man bei der Naturschutzbehörde nicht, dies sollten wir entweder bei der Jägervereinigung oder der Unteren Jagdbehörde selbst erfragen.
Auch im Naturschutzgebiet Leinepolder im Landkreis Northeim (Niedersachsen) fand bisher kein aussagekräftiges Monitoring statt. Zwar gehe der Trend beim Wachtelkönig derzeit nach oben, ob dies jedoch am Management vor Ort, dem Geschehen auf den Zugwegen oder den feuchteren Jahren liegt, sei reine Spekulation und auch vom zuständigen Gutachter nicht zu beantworten. Auch wenn es keinen Hinweis darauf gibt, dass die Bejagung von Beutegreifern einen positiven Einfluss auf die Bestandsentwicklung hat, hat der Landkreis für die Jäger Röhrenfallen angeschafft. Doch obwohl die Fallen vom Kreis bezahlt wurden, liegen der Unteren Naturschutzbehörde keine Streckenzahlen im Leinepolder vor, Vorgaben seitens des Naturschutzes gibt es für die Jäger nicht. Auch hier weiß also niemand, wie viele Füchse, Waschbären und Nutrias getötet werden, geschweige denn, welche Auswirkungen diese Maßnahme auf den Bruterfolg hat.
Im Landkreis Neuburg/Donau (Bayern) betreut der LBV in enger Zusammenarbeit mit der Unteren Naturschutzbehörde ein Wiesenbrüterschutzgebiet. Konkrete Zahlen zur Bestandsentwicklung konnte oder wollte uns die Behörde nicht nennen, betonte aber mehrfach die enge Zusammenarbeit mit der Jägerschaft. Ein aktives Prädatorenmanagement hält man für unerlässlich. Weitere Nachfragen ergaben dann, dass die Jäger auch in diesem Wiesenbrüterschutzgebiet ihrer Tätigkeit eigenverantwortlich nachgehen und die Naturschutzbehörde den Jägern gegenüber nicht weisungsbefugt ist. Trotz der angeblich so engen Abstimmung zwischen Naturschutz und Jägerschaft, lagen der Naturschutzbehörde keine Streckenzahlen über die getöteten Beutegreifer vor. Zusätzlich hatte man die Gebietsbetreuung des LBV vorgewarnt, dass hier jemand unbequeme Fragen stellt und die Antworten im Vorfeld abgesprochen.
Auch der Landkreis Osterholz (Niedersachsen) unterstützt im Namen des Wiesenbrüterschutzes die Beschaffung von Lebendfallen und Meldesystemen zur Bejagung „invasiver Arten und Prädatoren“, muss aber gleichzeitig zugeben, dass aussagekräftige Streckenzahlen nicht vorliegen und somit nicht abgeleitet werden kann, welchen Einfluss die Prädatorenbejagung auf den Bruterfolg der Vögel hat. Also auch hier mehr Bauchgefühl als belastbare Daten.
Im Landkreis Pfaffenhofen/Ilm (Bayern) gibt es insgesamt 12 Wiesenbrüterschutzgebiete. Seit Anfang März versuchen wir gemeinsam mit der Tierschutzpartei Ingolstadt, Zahlen zur Bestandsentwicklung zu erhalten. Die Behörde gibt offen zu, dass man aufgrund von Personalmangel auf keine Datenlage zurückgreifen kann, die „den Anspruch der Vollständigkeit erfüllt“. Auch den Einfluss der einzelnen Maßnahmen interpretiert man äußerst kreativ: in einem der Schutzgebiete ist es wohl in den vergangenen Jahren zu einer regelrechten Bestandsexplosion gekommen. Und zwar im Jahr 2022, als erste lebensraumverbessernde Maßnahmen umgesetzt wurden. Einen Zusammenhang zwischen Lebensraumverbesserung und Bruterfolg will man aber nicht sehen, den Erfolg führt man hauptsächlich auf ein in der Bevölkerung äußerst umstrittenes Betretungsverbot zurück. Fragen nach weiteren durchgeführten Maßnahmen in diesem Gebiet, wie etwa Absprachen mit Landwirten bzgl. Mahdzeiten oder Düngemittel- und Pestizideinsatz schmettert man mit dem Hinweis ab, dass die Antworten auf diese Fragen „keinen erkennbaren Mehrwert“ bringen würden. Man weist uns noch darauf hin, dass bisher kein aktives Prädatorenmanagement in den betreuten Schutzgebieten stattfinden würde, dass man diesbezüglich aber gerade mit den Jägern in engem Austausch sei. Man fragt sich, auf welcher Datengrundlage dieses Prädatorenmanagement aufgebaut werden soll, aber da uns die Behörde gebeten hat, von weiteren unbequemen Fragen Abstand zu nehmen und die Kommunikation offiziell für beendet erklärt hat, werden wir auf diese Frage wohl keine Antwort mehr bekommen.
Zusammenfassend kann man sagen, dass die angefragten Behörden trotz fehlender Datenlage einem aktiven Prädatorenmanagement sehr unkritisch gegenüberstehen. Im nächsten Beitrag werden wir zeigen, dass die Naturschützer vor Ort das die Bejagung von Beutegreifern oft sehr viel kritischer sehen.
Doch wie sieht es nun mit der Zusammenarbeit zwischen Jägern und Artenschützern aus? Stimmt man hier die Maßnahmen miteinander ab? Welchen Anteil hat das Prädatorenmanagement durch die Jägerschaft nach Einschätzung der Fachleute vor Ort auf den Bruterfolg der Vögel?
Kleinere Wiesenbrüterschutzgebiete werden oft von einer Handvoll Ehrenamtlicher betreut, Berührungspunkte zur örtlichen Jägerschaft gibt es kaum, eine Abstimmung der Maßnahmen fand in keinem einzigen der von uns angefragten Gebiete statt. In der Regel sah man sich außerstande, eine Einschätzung zur Sinnhaftigkeit eines aktiven Prädatorenmanagements zu geben und verwies uns diesbezüglich an die zuständige Naturschutzbehörde oder die örtliche Jägervereinigung.
In größeren, von entsprechenden Fachleuten geführten Wiesenbrüterschutzgebieten wurde man deutlicher. Man setzt auf passives Prädationsmanagement und Lebensraumgestaltung, eine Zusammenarbeit mit den Jägern findet in aller Regel nicht statt:
Aus einem Wiesenweihen-Schutzgebiet in Brandenburg kam folgende Einschätzung: „Bitte unterscheiden zwischen Prädationsmanagement und Prädatorenmanagement. Prädatoren zu bekämpfen, bringt trotz hohem Aufwand meist nichts. Außer vielleicht bei Insellagen. Allgemeine Prädatorenjagd wie beim Fuchs erhöht die Reproduktion und ist kontraproduktiv…“
Die Ornithologische Arbeitsgemeinschaft Bodensee teilt uns zum Wiesenbrüterschutz im Kreis Konstanz folgendes mit: „Prädationsmanagement findet insofern statt, dass in zwei von vier Haupt-Brutgebieten im Landkreis ein Elektrozaun zum Schutz vor dem Fuchs um den Brutbereich angebracht wurde. Wir begleiten die Projekte mit einem Monitoring, so dass wir einschätzen können, wie der Schlupf- und der Bruterfolg ist.“ Zugleich bestätigt man uns, dass keine Zusammenarbeit mit den Jägern stattfindet, man keine Kenntnis darüber hat, wie viele Beutegreifer im betreuten Gebiet getötet werden und welchen Einfluss das möglicherweise auf den Bruterfolg hat.
Die Arbeitsgemeinschaft Berlin-Brandenburgischer Ornithologen beim NABU äußert sich so: „Es spielt dabei das Aufsuchen der Gelege und deren Markierung sowie nachfolgende Absprachen mit Landwirten eine zentrale Rolle. Daneben werden Flächen mit besonderen Brutkonzentrationen mit einem mobilen Prädatorenschutzzaun abgezäunt. Mit Solarpumpen werden Feuchtflächen vor Austrocknung bewahrt…. Eine spezifische Bejagung erfolgt hier nicht.“
Auch die Stiftung NordWest Natur, welche unter anderem das Naturschutzgebiet Borgfelder Wümmerwiesen betreut, setzt auf Lebensraumverbesserung durch ein gesteuertes Wassermanagement und steht einem aktiven Prädatorenmanagement kritisch gegenüber: „Ein auf die Belange des Vogelschutzes ausgelegtes Prädationsmanagement gibt es nicht. Die Wiesenvogelbestände werden im Rahmen eines Monitorings genau erfasst. Über Zusammenhänge von Prädationsstrecken und Bruterfolgen kann in diesem Gebiet keine Aussage getroffen werden. Dafür müsste auch der Bestand an Prädatoren über ein Monitoring erhoben werden.“
Eine Gebietsbetreuung des BUND in Sachsen-Anhalt teilt uns folgendes mit: „Wie sie richtig erkannt haben, wird das Nest durch passive Maßnahmen, durch Zäunung, vor Prädation geschützt.
Dies funktioniert sehr gut. Eine begleitende Bejagung findet nicht statt. Dies wäre auch schwierig umzusetzen, da die Brutvorkommen sich auf einen großen Raum verteilen und eine solche begleitende Jagd sehr aufwändig wäre.“
Im NABU Naturschutzzentrum Katinger Watt in Schleswig-Holstein sieht schätzt man die Situation etwas anders ein. Dort heißt es: „Wir haben in den letzten Jahren schon die Erfahrung gemacht das diese gezielte Jagd zum Schlupf- und Bruterfolg beiträgt, auch wenn das oftmals nur schwer ganz exakt zu ermitteln ist, da die Flächen riesig sind und etliche weitere Faktoren in der Natur (Wetter, Mäusebestand, Prädation durch Vögel usw.) einen Einfluss haben. In den Schutzgebieten werden die Lebensräume vollständig für die Vögel entwickelt. Daher haben wir hier wesentlich höhere Dichten an Brütern als in der sogenannten „Normallandschaft“. Diese Bruten sind verstärkt durch Raubsäuger gefährdet, da in den Gebieten der Tisch für eben diese reich gedeckt ist. Die Prädation hat sich so in den letzten Jahren zum Hauptproblem beim Schutz von Wiesenbrütern entwickelt.“
Hier wird also die Notwendigkeit einer intensiven Prädatorenbejagung ausgerechnet mit dem Umstand begründet, dass durch lebensraumverbessernde Maßnahmen die Wiesenbrüterbestände gestiegen sind. Eine Auffassung, die sonst keine der angefragten Stellen vertreten hatte. Wir bohrten nach, doch es wurde sehr ausweichend geantwortet. Allerdings stellte sich im weiteren Verlauf heraus, dass unsere Ansprechpartnerin selbst Jägerin ist und einen Begehungsschein für eben dieses Wiesenbrüterschutzgebiet hat. Vor diesem Hintergrund überrascht die eigenwillige Einschätzung der Situation wenig.
Im nächsten Beitrag werden wir zeigen, wie die Umweltministerien der einzelnen Bundesländer als übergeordnete Behörden zum aktiven Prädatorenmanagement stehen.
So stehen die Umweltministerien der Bundesländer zum aktiven Prädatorenmanagement:
Im Rahmen unserer Recherche zum Wiesenbrüterschutz baten wir auch die Umweltministerien der verschiedenen Bundesländer um eine Einschätzung darüber, welche Rolle ein aktives Prädatorenmanagement durch die Jäger für den Bruterfolg der Vögel spielt und auf welchen Daten diese Einschätzung beruht.
Im Landesamt für Umwelt (LfU) in Brandenburg setzt man vorwiegend auf Lebensraumgestaltung und passives Prädationsmanagement. Den Einfluss eines aktiven Prädatorenmanagements durch die Jäger könne man nicht beurteilen, denn: „Hier sind Jagdstrecken nur innerhalb der Jagdstrukturen zu melden. Gegenüber den Naturschutzbehörden, weder auf Landes- noch auf Kreisebene besteht eine Meldepflicht. Dafür wird eine räumlich nur grob auflösende Jagdstatistik veröffentlicht. Umgekehrt kann der Naturschutz weder ehrenamtlich noch behördlich auf die Intensität der Jagdausübung hinwirken oder den zeitlichen Ablauf der Jagd im Jahresverlauf beeinflussen. Jeder Jagdausübungsberechtigte hat es letztlich selbst in der Hand, ob, wann und wie intensiv er Raubsäuger bejagt. In der Folge dürfte ein Mosaik unterschiedlichster Jagdintensitäten und –strategien bestehen. Das erklärt, weshalb es wissenschaftlichen Kriterien standhaltende Nachweise des Zusammenhangs zwischen Bejagung und Bruterfolg häufig nicht gibt. Das Handeln nach eigenem Ermessen des Jägers ist auch nicht für eine echte Bestandsregulierung geeignet.“
Ganz anders sieht man es in Mecklenburg-Vorpommern. Hier bezeichnet man erfolgreiche Lebensraumgestaltung als „ökologische Falle“ und beklagt, dass durch fehlende Anreize für die Jäger in der Fläche Prädatoren zu wenig bejagt werden. Belegen konnte man diese Außenseitermeinung nicht, stattdessen erklärte man die Kommunikation für beendet.
Aus Thüringen teilt man uns folgendes mit: “Die Bejagung von Prädatoren wird einzelfallspezifisch und erfolgreich zum Schutz von Wiesenbrütern angewendet. Sie wird i.d.R. von lokalen Jägern/Berufsjägern betrieben. Insbesondere in größeren Schutzgebieten mit einer konsequenten und nachhaltigen Bejagung ist davon auszugehen, dass der Bruterfolg bodenbrütender Vögel steigt.“ Auch hier viel Bauchgefühl ohne belastbare Daten, es wird nicht zwischen sinnvollem passiven Prädationsmanagement und fragwürdigem Prädatorenmanagement unterschieden und die Behauptung einer „einzelfallspezifischen Bejagung“ wurde durch unsere Recherche eindeutig widerlegt.
In Nordrhein-Westfalen holt sich das Referat für Biodiversität Unterstützung von den für „Jagdkunde“ zuständigen Kollegen aus dem Landwirtschaftsministerium – und genau so liest sich dieses Schreiben auch: Zäune seien nicht praktikabel, die Streckenzahlen würden den zuständigen Behörden gemeldet, die Jagd erfolge unter strikter Einhaltung rechtlicher Vorgaben…
Völlig absurd wird es in Bayern. Hier arbeitet das LfU im Moment an einem Leitfaden „Prädationsmanagement“ und verweist dabei als Grundlage auf die Zahlen aus der Vogelschutzwarte Garmisch-Partenkirchen. Doch laut Auskunft der Vogelschutzwarte habe man zwar eine beratende Funktion beim Wiesenbrüterschutz, es gebe aber keine Verpflichtung, die Vogelschutzwarte hinzuzuziehen. Somit erfolgt hier keine flächendeckende Erfassung der Brutbestände, ebenso wenig liegen dem LfU oder der VSW die Zahlen der im Namen des Artenschutzes getöteten Beutegreifer vor. Wie man ohne diese Daten einen Leitfaden erstellen möchte, bleibt ein Rätsel.
In Sachsen ist der Aufbau eines überregionalen Kompetenznetzes zum Wiesenbrüterschutz geplant. Die Landesdirektion Sachsen betont die Notwendigkeit eines aktiven Prädatorenmanagements und behauptet: „Bevor Prädatoren entnommen werden, erfolgt stets eine Analyse, welche Prädatorenart den Brutausfall verursacht.“ Da dies, wie wir mittlerweile wissen, nicht der Wahrheit entsprechen kann, da auch in Sachsen die Jäger nicht dem Naturschutz unterstellt sind und eigenverantwortlich handeln, stellt sich die Frage, ob hier bewusst die Unwahrheit gesagt wird oder ob man es wirklich nicht besser weiß. Die Aussage der Landesdirektion, dass Prädation durch Störche, Reiher, Kranich oder andere Vogelarten nicht bekannt und bei Wiesenbrütern auch unwahrscheinlich seien, weist auf jeden Fall auf eklatante Wissenslücken hin.
In Baden-Württemberg steht man dem aktiven Prädatorenmanagement wieder deutlich kritischer gegenüber: “Grundsätzlich ist ein wirksames (!) aktives Prädatorenmanagement mit einem sehr großen Aufwand verbunden….Aktuelle Forschungsergebnisse zeigen, dass es eines fundierten Bejagungskonzeptes bedarf, um einen positiven Effekt zu erzielen. Dies ist nur mit Berufsjägern und in eng umgrenzten Gebieten realistisch umsetzbar. Allein aus diesen Gründen sollten zunächst alle anderen Säulen im Artenschutz umgesetzt und ausgeschöpft werden, bevor nach einer fundierten fachlichen Analyse ein hoher Aufwand in ein aktives Prädatorenmanagement gesteckt wird.“
Zum Schluss noch ein deutliches Statement aus dem Saarland: „Ein sog. „Prädatorenmanagement“ lehnen wir im ZfB klar ab. Denn erstens entstammt ein solcher Ansatz einem eigentlich längst überholtem statischem Ansatz, wonach nur eine bzw. wenige Arten im Vordergrund stehen und verschiedene Arten(gruppen) gegeneinander ausgespielt werden. Das ist ökosystemar nicht angemessen. Zweitens würde es auch wenig bringen, weil z.B. Füchse ständig nachrücken und als natürlich revierbildende Art gar keine Überpopulation bilden können. Und würde man sie weiträumig stark dezimieren, können sie ihre vielfältigen ebenso wichtigen Funktionen weniger wahrnehmen. Dass „Prädationsmanagement“ dennoch öfter genannt wird, entspringt dem Einfluss der Jagdlobby mit teils anderen Interessen oder es wird veraltet und traditionsbehaftet „falsch“ nachgeredet.“